Almut Glagau
Ich begann meine Ausbildung zur Heilpraktikerin 1990 im
selbstverwalteten Frauenausbildungsprojekt Alche Milla
in Hamburg zunächst ohne genaue Vorstellung, ob ich eine
Berufsausbildung oder persönliche Weiterbildung beginne.
Begründet allein in meiner ganz persönlichen Erfahrung mit
Ärzten und Gesundheitswesen wollte ich mir das Wissen
über meinen eigenen Körper, meine eigene Gesundheit
zurückerobern. Bei Alche Milla lag der Schwerpunkt der
Ausbildung darin, welche Krankheitssymptomatiken vor
allem Frauen unter den gegebenen Lebenssituationen ent-
wickeln, welche Zusammenhänge zwischen Körper und
Umwelt, Psyche und Intellekt, Lebenssituation und Lebens-
bedürfnis bei der Entstehung von Krankheitssymptomatiken
zum tragen kommen.
Und: in der Erkenntnis, daß es unabhängig von der jeweiligen
Behandlungsmethode niemals um die Behandlung eines Krank-
heitsbildes geht, sondern immer darum, den ganzen Menschen
in seinem Lebenszusammenhang zu sehen und individuelle
Lösungskonzepte zu erstellen.
Während meines praktischen Jahres im Schulambulatorium
und während eines halbjährigen Arbeitsaufenthalt als Heil-
praktikerin in einem brasilianischen Gesundheitsselbsthilfe-
projekt konnte ich diesbezüglich wertvolle Erfahrungen machen.
Zunächst noch ohne auf eine bestimmte Behandlungsmethode
festgelegt zu sein.

Der chinesischen Medizin begegnete ich schon während meiner
Ausbildung bei Alche Milla und sie faszinierte mich von Anfang an.
Sie bietet einen theoretischen Hintergrund und eine jahrtausende-
alte Erfahrung darin, den Mensch im Kontext mit seiner Umwelt
zu betrachten und sprengt schon in ihren Theorie- und Denkmo-
dellen die Grenzen des dualistischen Denkens, das strikt unter-
scheidet zwischen gesund und krank, Körper und Psyche, Innen-
welt und Außenwelt,...
Aufbauend auf mein Grundlagenwissen versuchte ich zunächst
durch Selbststudien weiter in die faszinierende Welt des chi-
nesischen Wissens um das Leben vorzudringen und entschied
mich im Sommer 1995 dann für eine fundierte 3-jährige Aus-
bildung in Chinesischer Medizin bei der Arbeitsgemeinschaft
für Traditionelle Chinesische Medizin in Deutschland e.V..
Seitdem bestimmt die chinesische Medizin meine Arbeit und
beeinflußt mein Leben. In der Chinesischen Medizin existiert
der Begriff Krankheit als solcher nicht und Gesundheit ist
definiert als ein fließender Prozeß im Mikrokosmos Mensch
einerseits und zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, d.h.
zwischen dem Menschen und seiner Umwelt im weitesten Sinne.
Sie bietet Diagnosemöglichkeiten, die den ganz persönlichen
und aktuellen Gesundheits- oder besser: Lebenszustand eines
Menschen darstellen können und eröffnet ein weites Spektrum
individueller Behandlungsmöglichkeiten.
Bezeichnend für das chinesische Verständnis von Gesundheit
und Krankheit ist auch die Tatsache, daß im alten China Ärzte
nur bezahlt wurden, solange ihre Patienten gesund blieben.
Das heißt, daß Prävention und Lebensberatung im chinesischen
Medizinsystem eine selbstverständliche Rolle einnehmen.
Seit ihren Anfängen vor fast 2000 Jahren wird die chinesische
Medizin kontinuierlich weiterentwickelt, sie ist kein antiquiertes
System, das in unsere Zeit gezerrt wurde. Sie ist für unsere Welt
heute genauso aktuell, wie für die Welt vor 1000 Jahren, weil sie
nirgends den Anspruch formuliert der Weisheit letzter Schluß
zu sein. Orientiert an sehr einfachen, aber grundlegenden Gesetzen
des Lebens entwickelt sie sich mit dem menschlichen Leben und
seinen Bedingungen immer weiter.
Und mich hält sie immer weiter neugierig! Neugierig und lernbereit.
Die Chinesen sagen: Es braucht 500 Jahre bis man ein großer
Meister wird, was nichts anderes bedeutet als: wir sind alle
Lernende. Es gibt keinen Endpunkt, an dem man genug weiß,
an dem man fertig ist.
In diesem Sinne ist für mich die Arbeit mit meinen Patienten eine
ständige Bereicherung auf meinem Weg, verläuft doch niemals
eine Behandlung wie die andere, erhält doch jeder mit Hilfe der
chinesischen Medizin die Chance seine eigenen Türen zu seinem
Leben, zu seinen Potentialen zu öffnen.

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